Miguel Joaqin Diego del Carmen Serrano Fernändez wurde am 10. September 1917 in Santiago geboren. Über seine Mutter entstammte er dem gräflichen Geschlecht der de la Sierra Bella, die in Las Condes nahe Santiago über großen Grundbesitz verfügten. Die Familie Serrano war in Chile bereits durch eine Reihe bekannter und begnadeter Dichter, politischer Idealisten und vieler Diplomaten hervorgetreten. Im Alter von 5 Jahren verlor Serrano seine Mutter, Berta Fernändez, drei Jahre später folgte sein Vater. Daraufhin wurde der Junge, gemeinsam mit zwei jüngeren Brüdern und einer Schwester, von der Mutter seines Vaters, Fresia Manterola de Serrano, aufgezogen; so verbrachte der Chilene einen Teil seiner Kindheit im Santiagoer Stadtdomizil der Familie, den Rest der Zeit in einem im Clarotal am Fuße der Anden gelegenen romantischen Landherrenhaus aus dem siebzehnten Jahrhundert. Zwischen 1929 und 1934 besuchte er das Internado Nacional Barros Arana, das war für seine guten Beziehungen zu Deutschland aufgrund des Zustrom preußischer militärischer Ausbilder bekannt war. Bereits im Krieg Chiles gegen Peru und Bolivien (1879-82) erfuhr das Land Unterstützung durch Bismarck und das junge deutsche Kaiserreich. Serrano selbst führt seine Bewunderung für alles Deutsche auf seine Zeit an diesem Bildungsinstitut zurück. Außerdem jedoch entstamme er einer arischen Blutlinie, die er über die in Nordspanien ansässigen Basken bis auf die Cro-Magnon-Menschen zurückführen könne - daher auch seine blauen Augen und sein blondes Haar.[1]
Noch während seiner Schulzeit widmete sich Serrano gemeinsam mit Freunden unpolitischen literarischen Zirkeln. Nachdem jedoch Serranos enger Freund, der Dichter und Sozialist Hector Barreto, Ende der 30er-Jahre im Alter von achtzehn Jahren in einer Schlägerei mit uniformierten Nacistas, chilenischen Nationalsozialistem, getötet wurde, schloß sich Serrano den Marxisten an und begann, für linksgerichtete Zeitschriften zu schreiben: „Sobre la marcha“, „La Hora“ und „Frente Populär“. Sein Onkel, der Diplomat und Dichter Vincente Huidobro, wollte seinen Neffen gar bewegen, sich den Republikanern im Spanischen Bürgerkrieg anzuschließen. Doch schon nach kurzer Zeit durchschaute Serrano die marxistische Irrlehre; vollends desillusioniert wurde er schließlich durch das irritierende Gebaren der chilenischen Kommunisten, die Beziehungen sowohl mit Moskau als auch mit dem amerikanischen CIA unterhielten.
Als es am 5. September 1938 zu einem erfolglosen Staatsstreichversuch der Nacistas kam, den diese mit 63 Todesopfern bezahlten, fühlte sich Serrano bald zu diesem Movimento Nacional Socialista de Chile („Nationalsozialistische Bewegung Chiles“) hingezogen. Die 1932 gegründete chilenische Partei orientierte sich an europäischen faschistischen Vorbildern, insbesondere an der NSDAP. Als Anführer wirkte der Deutsch-Chilene Jorge Gonzalez von Marees (1900-1962). Insbesondere bei den deutschstämmigen Bewohnern im Süden Zentralchiles fand de Gruppe großen Anklang.
Genau wie die europäischen faschistischen Parteien auch, organisierten die Nacistas Massenaufmärsche ihrer uniformierten Sturmtruppen; auch der römische Gruß, Schlachtlieder, Flaggen und Insignien zählten zum Repertoire der Nacistas, die vor allem durch die charismatische Führungsfigur El Jefe (der „Führer“) angetrieben wurde. Serrano war zutiefst beeindruckt von der männlichen Kameradschaft und dem überzeugten Patriotismus der chilenischen Nazis - und von ihrem faschistischen Mythos. Die Aura des „heroischen Märtyrertums“, die die Nacistas seit dem Massaker vom September 1938 in seinen Augen umgab, erwies sich als stärker denn Serranos Wut über den Mord an seinem besten Freund. Im Juli des Jahres 1939 sprach er erstmals öffentlich von seinen Sympathien für die Nacistas (die sich inzwischen in Vanguarda Populär Socialista, Sozialistische Volksavantgarde‘, umbenannt hatten), begann für das Parteimagazin „Trabajo“ zu schreiben und begleitete El Jefe auf seinen populistischen Touren durch das Land.[2]
Die Neutralität Chiles nach Ausbruch des Zweiten Weltkriegs ermöglichte es den Nacistas, ihre Solidarität mit den Achsenmächten weiterhin öffentlich zu verbreiten, jedoch büßte die Bewegung an Attraktivität ein, nachdem Gonzalez von Marees, der infolge des gescheiterten Staatsstreichs inhaftiert worden war, nach seiner Freilassung deutlich um eine Versöhnung mit dem liberal-bürgerlichen Flügel bemüht war. So bekannte sich Serrano, spätestens nach dem Beginn des Rußlandfeldzuges 1941, offen zum Nationalsozialismus und schrieb Kommentare und Rezensionen in einem Organ namens „La Nueva Edad“.
Die Schwerpunkte dieses 14-tägigen Periodikums, für das auch Männer wie Rene Arriagada von der Tageszeitung El Mercurio, ein Bewunderer Oswald Spenglers, General Francisco Javier Diaz, ein Verehrer Hitlers und Hugo Gallo, Kulturattache bei der italienischen Botschaft, schrieben, waren die deutsche Philosophie und Ideologie sowie Berichte über den aktuellen Kriegsverlauf in Europa. Ein besonderer Fokus lag auf der Verherrlichung der Zerschlagung des Kommunismus durch das Dritte Reich. Aufgrund des NSDAP-freundlichen Kurses der Zeitschrift gelang Serrano der Aufbau enger Beziehungen zur nationalsozialistischen Delegation in der deutschen Botschaft in Santiago, die ihrerseits seine Zeitschrift gern unterstützte. Von einem Angehörigen der SS, der ehemals Adjutant des Direktors der Reichskanzlei in Berlin gewesen war, erfuhr Serrano von ausführlichen Dokumenten über Macht und Einfluß bestimmter Geheimgesellschaften. Diese Dokumente wurden mehrheitlich in den Logenhäusern der verbotenen Freimaurerei beschlagnahmt. Nach der Besetzung Frankreichs wurden große Bestände Pariser Logen sichergestellt, teils durch die SS Heinrich Himmlers, teils durch das Amt von Alfred Rosenberg. Dieses Material wurde ebenfalls in La Nueva Edad publiziert und ausgiebig kommentiert.
Im Herbst 1941 hörte der zum Glauben an politische Konspirationen neigende Serrano zum ersten Mal von der „jüdischen Weltverschwörung“, nachdem zwei chilenische Künstler, Leser seiner Zeitschrift, eine spanische Übersetzung der Protokolle der Weisen von Zion übermittelten. Dies markiert einen bedeutenden Wendepunkt in der Entwicklung Serranos, denn vor 1941 „hatte der Antisemitismus weder in der nationalradikal-faschistischen Ideologie der chilenischen Nazis noch in der Serranos eine Rolle gespielt; beide sahen im marxistischen Kommunismus ihren Hauptfeind“, wie Nicholas Goodrick-Clarke die Entwicklung zusammenfaßt.[3] Seit der Lektüre dieses Buches war der chilenische Schrifdtsteller davon überzeugt, daß die Juden die Hintermänner einer weltweiten Verschwörung waren, die nichts anderes zum Ziel hatte, als die Zerstörung jeglicher Ordnung, aller Traditionen und der Unabhängigkeit der Nationalstaaten. Er wurde zum überzeugten Antisemiten und begann Anfang November 1941 Auszüge aus den Protokollen in seinem Magazin zu veröffentlichen.
Zunehmend entsponn sich in Serranos schriftstellerischem Werk die „ario-gnostische Lehre“ der beiden widerstreitenden Mächte: dem in jüngster Zeit durch Hitler verkörperten Avatar als Befreier der Menschheit, der gegen die jüdische Weltverschwörung in der Gestalt des bösen Demiurgen, des Herrn der Dunkelheit, der unseren gefallen Planeten beherrscht, zu Felde zieht. Anleihen für sein Weltbild entlehnte Serrano dabei auch aus esoterischen Mythen, dem Hinduismus und dem Kundalini-Yoga.[4]
Nach dem Krieg befaßte sich Serrano mit den vor allem in Südamerka kursierenden Fluchtgerüchten Hitlers, insbesondere mit dem Buch Ladisloa Szabös „Hitler esta vivo“ (1947).
Der Autor dieses Buches behauptete, Hitler wäre von einem U-Boot-Konvoi zu den Sicherheit verheißenden Warmwassser-Oasen des antarktischen Königin-Maud-Landes gebracht worden, die im Jahr 1938 der deutsche Südpol-Expeditionstrupp unter der Leitung Alfred Ritschers entdeckt hatte. Serrano nutzte seine Verbindungen um sich 1947/48 als Journalist einer Expedition der chilenischen Armee auf den antarktischen Kontinent anzuschließen. Seine Eindrücke hielt er in dem Buch „Antarktika und andere Mythen“ fest.
1951 unternahm Serrano seine erste Europa-Reise, auf der er die Ruinen des Führerbunkers in Berlin, das Spandauer Gefängnis, in dem Rudolf Heß und andere Nationalsozialisten inhaftiert waren sowie Hitlers Berghof in Bayern besuchte. Neben den klassischen „Nazi-Zielen“ knüpfte er jedoch auch Kontakt zum in der Schweiz lebenden Literatur-Nobelpreisträger Herman Hesse, mit dem er ebenso Freundschaft schließt, wie mit dem Psychologen C. G. Jung. Auch mit ihm entwickelt sich ein reger Gedankenaustausch, wobei sich der Chilene vor allem für Jungs Archetypenlehre begeistert. Seine Erfahrungen mit diesen beiden international anerkannten Koriphäen verarbeitet er in dem Buch „El circulo hermético de Hesse a Jung“ (Meine Begegnungen mit C.G Jung und Hermann Hesse in visionärer Schau).
1953 folgte Serrano der Familientradition und trat in den diplomatischen Dienst ein, um nach Indien geschickt zu werden, das er als eine der Hauptquellen spiritueller Wahrheit betrachtete. Er blieb bis 1962 dort und brachte es schließlich sogar zum Botschafter; in all dieser Zeit sog Serrano das reiche spirituelle und geistige Erbe dieser Kultur in sich auf. Wie ein Leitmotiv durchzieht seine Zeit in Indien die Suche nach dem geheimen Brahmanenorden, von dem sein chilenischer Meister gesprochen hatte. Er reiste zu entlegenen Anbetungsstätten im Himalaya und traf sich mit zahlreichen Gurus. Doch war es ihm nicht vergönnt, den Sitz des Ordens ausfindig zu machen, der sich der Überlieferung zufolge, am Kailasch, einem Berg im von China besetzten und verwalteten Tibet, befand.
Dank seiner Rolle als Diplomat begegnete der Chilene allerdings einer ganzen Reihe bedeutender Persönlichkeiten - u.a. Ezra Pound, Aldous Huxley, Roberto rosselini, Jennifer Jones, Arnold Toynbee - und schloß Freundschaft mit Indira Gandhi und dem Dalai Lama. Der Schwerpunkt seiner nun erscheinenden Schriften liegt auf mythologischen und spirituellen Themen, dazu zählen: „Las visitas de la Reina de Saba“ („Die Besuche der Königin von Saba“, 1960), Vorwort von C. G. Jung, und „La serpiente del paraiso“ („Die Schlange im Paradies“, 1963), worin Serrano seine „heilige Suche“ in Indien schildert.
Gemäß Trimondis Interpretation sah sich Serrano mit Jung und Hesse als „Verschworene einer esoterischen Bruderschaft, eine Art Triumvirat von Hermetikern, welches sich einen Zugang zu den archetypischen Lagerhäusern des menschlichen Unterbewußtseins verschaffen konnte.“[5]
In den Folgejahren bekleidete Serrano weitere prestigeträchtige diplomatische Ämter; als chilenischer Botschafter in Jugoslawien (1962-64), mit gleichzeitiger Akkreditierung in Bulgarien und Rumänien, und als Botschafter in Österreich (1964-70). Außerdem wurde er zum chilenischen Abgeordneten in der Internationalen Atomenergieorganisation und in der Organisation der Vereinten Nationen für industrielle Entwicklung - englisch: United Nations Industrial Development Organization kurz UNIDO - bestimmt (beides mit Hauptsitz in Wien). Mit der Wahl des marxistischen Präsidenten Salvador Allende Ende der 70er-Jahre endete jedoch Serranos diplomatische Laufbahn. Serrano ging ins Exil und mietete eine Wohnung im Casa Camuzzi in Montagnola (Kanton Tessin), wo auch Hermann Hesse von 1919 bis 1931 gelebt hatte. Die nächsten Jahre verbrachte Serrano als freier Schriftsteller in Europa, wo er ausgedehnte Wald- und Bergwanderungen unternahm und sich der literarischen Verarbeitung religiöser Mythen widmete. In dieser Zeit entstand seun Werk „El - Ella, Libro del amormägico“ („Er - Sie. Das Buch der magischen Liebe“, 1973), eine Allegorie der Suche des Menschen nach der kosmischen Einheit. Die hier verarbeiteten Themen des Tantrismus und Katharismus sowie das Motiv der Vereinigung des männlichen Animus mit der weiblichen Anima verschafften dem Buch große Popularität, so daß es in mehrere Sprachen übersetzt wurde. Ein weiterer Titel dieser Phase war „Nös. Libro de la Resurecciön“ („Wir. Das Buch der Wiederauferstehung“, 1980), eine Autobiographie in der Tradition C.G. Jungs; sie basiert auf ähnlichen Gedanken wie das erste Buch und setzt sich außerdem mit Nietzsches Konzept der ewigen Wiederkunft auseinander.
Doch auch die Idee des dualistischen Gegensatzes verkörpert durch politische Bewegungen seiner Zeit - einander entgegengesetzte Archetypen des Lichts und der Dunkelheit - gewann breiteren Raum in seiner Vorstellungswelt. Bereits während seiner Zeit in der Schweiz sinnierte er über die dualistischen Implikationen, die dem Katharismus, dem Antisemitismus und dem Jungschen Konzept der Projektion des „Schattens“ innezuwohnen schienen. Ganz entgegen dem Loblied auf spirituelle Einheit und Integration, das er in seinen dichterischen Werken sang, verfaßte er eine Hitler-Trilogie, die Nicholas Goodrick-Clarke zurecht „außergewöhnlich“ nannte:[6] „El Cordön Dorado: Hitlerismo Esoterico“ („Das Goldene Band. Esoterischer Hitlerismus“, 1978), „Adolf Hitler, el Ultimo Avatar“ („Adolf Hitler, der letzte Avatar“, 1984) und „Manu - Vor el hombre que vendra“ („Manu - „Für den Menschen, der da kommen wird“, 1991). Josecelyn Godwin nennt das Buch „Der letzte Avatar“ „vermutlich das einzige vollständig moderne Werk der Thule-Philosophie“.[7] Seine Inspiration bezog Serrano aus der Ideologie des chilenischen Nationalsozialismus, mit dem ihm immer noch die alten Bande verknüpften, aus den Protokollen der Weisen von Zion und aus dem Gedankengebäude seines esoterischen Brahmanenordens. Doch nicht nur das; Serranos Trilogie ist ein Amalgam all der in den 60er- und 70er-Jahren erschienenen Literatur, die sich göttlichen Offenbarungen, dem Okkulten und den sogenannten Nazi-Mysterien widmete. Aus all dem nun schuf Serrano seine eigene politische Mythographie des „Esoterischen Hitlerismus“, die er beständig mit neu erworbenem Ideengut erweiterte.
[1] Biographische Details nach Goodrick-Clarke (2009), S. 368 ff.; Trimondi (2002), S. 423 ff.
[2] So Goodrick-Clarke (2009), S. 370
[3] Goodrick-Clarke (2009), S. 371
[4] Das Ziel des tantrischen Kundalini-Yoga ist die Erweckung der Kundalini und ihr Aufsteigen durch die Chakren ins oberste Chakra, das Sahasrara, um Erleuchtung zu erfahren: denn im Tantra wird das als Erlangen oder Vereinigung mit Atman, dem kosmischen Bewußtsein (Shiva) mit der göttlichen Energie (Shakti) angesehen. (nach Wikipedia)
[5] Trimondi (2002), S. 423
[6] Goodrick-Clarke (2009), S. 375