Trojaburg
 
 

Hyperborea - Einleitung

Von Dennis Krüger

Im Streit um die Frühgeschichte

„Vor sechstausend Jahren, als noch tiefe Nacht Indien, Ägypten und das Zweistrom- Land bedeckten, maßen unsere Vorfahren die Sterne an Steinkreisen zu Stonehenge und Udry... schnitten Runen, die für die Buchstaben die Basis wurden... Wir finden arische Kultur in Ur in Chaldäa, deutsche Stämme in Palästina, ehe die Juden dort einwanderten, die trojanische die mykenische Kultur ist germanisch, die griechische ist Blut von unserem Blut. Indien und Persien tragen den Stempel deutscher Kultur und was wir später vom Orient zurückerhielten, hat der Osten von uns empfangen...“

Worte aus einer „dunklen Vergangenheit“, in der „der deutsche Größenwahn der Welt das Fürchten lehrte“ – ein Urteil, das um so verständlicher erscheint da es sich bei dem Verfasser dieser Zeilen um keinen geringeren als Rudolf von Sebottendorf handelte, Gründer der Thule-Gesellschaft, die als Keimzelle der NSDAP gilt. Der Name der Vereinigung war nicht zufällig gewählt: Thule stand zu Beginn des 20. Jahrhunderts exemplarisch für die mystische Sehnsucht der Deutschen nach einer glorreichen Vergangenheit. Die bis heute nicht eindeutig identifizierte Insel im hohen Norden verkörperte dabei das mystische Zentrum der Hochkultur des Menschen aus dem äußersten Norden.

Ebenfalls als Refugium im hohen Norden beschreiben Chronisten das antike Hyperborea, das jenseits des Nordwindes liegende Land. Hekateus von Abdera zufolge lag die Insel der Hyperboräer, die nicht kleiner sei als Sizilien, jenseits des Keltenlandes im Ozean. Den antiken Chronisten galt Hyperborea als paradiesischer Ort mit besonders günstigem Klima und einer besonderen Nähe zu den Göttern. Die Bewohner, so berichtete etwa Pindar, seien ein gesegnetes Volk, das weder Alter noch Krankheit kenne und sich mit Tanz, Gesang, Flöte und Leier ganz dem Dienst der Musen hingebe.
Spätere Autoren und Forscher verwandelten die alten Überlieferungen in Mythen, über die sich ein Schleier der Vergessenheit legte, der erst zu Beginn des 19. Jahrhunderts langsam wieder gelüftet werden sollte.
Während die frühesten Altertumskundler ganz im Sinne ihrer biblischen Prägung alle Kultur aus Israel oder zumindest dem Vorderen Orient ausgehen lassen wollten, wurde das alte Wissen um die Rolle des Nordens in der Morgendämmerung der Kultur oft nur innerhalb esoterischer Verbindungen bewahrt. So schrieb im Jahr 1889 der französische Esoteriker und Theosoph Edouard Schuré:
„Man könnte sagen, daß die Eisblöcke des Nordpols das Aufkeimen der weißen Rasse gesehen haben. Es sind die Hyperboräer, von denen die griechische Mythologie spricht. Diese Männer mit den roten Haaren und den blauen Augen kamen aus dem Norden, durch ihre Polarlicht erhellten Wälder, begleitet von Hunden und Rentieren, geführt von kühnen Häuptlingen und vorwärtsgetrieben von Seherinnen. Goldige Haare und himmelblaue Augen: auserwählte Farben. Diese Rasse sollte den Kultus der Sonne und des heiligen Feuers aufrichten und in die Welt die Sehnsucht nach dem Himmel hineintragen.“

Vereinzelt äußerten sich aber auch anerkannte wissenschaftliche Stimmen wohlwollend über das nordische Europa in der Frühgeschichte, nicht selten sogar ausgesprochene Koryphäen. Einer der frühesten Vertreter dieses Typs war der schwedische  Universalgelehrte Olof Rudbeck der Ältere (1630-1702), der Schweden für das Atlantis Platons und die tatsächliche Wiege der Kulturvölker hielt.
1886 vertrat der Anthropologe Karl Penka (1847-1912) erstmals den nordeuropäischen („hyperboräischen“) Ausgangspunkt der kurz zuvor entdeckten indogermanischen Sprachfamilie.
 1891 schließlich verfaßte der vielseitig interessierte Biologe und Philologe Ernst Krause (1839-1903) mit seinem „Tuiskoland“ ein Grundlagenwerk zur nordischen Heimat vieler vor allem religiöser Kulturimpulse der Frühgeschichte.
Waren dies alles Volksverhetzer, Scharlatane oder bestenfalls irregeleitete Forscher, wie der politisch-korrekte Zeitgeist zu urteilen geneigt wäre?

Wohl kaum, wie die jüngere Forschung bewiesen hat, die mit ihrer Arbeit zugleich einen neuen Trend begleitet: Das Interesse an der europäischen Frühgeschichte erlebt seit einigen Jahren einen ungeheuren Aufschwung in der Bevölkerung; gut besuchte Ausstellungen und zahlreiche Berichte über neue archäologische Funde in den Medien begleiten das steigende Interesse der Bevölkerung.  Spätestens seit dem Fund der Bronzescheibe von Nebra ist die heimische Frühgeschichte wieder „salonfähig“. Über Nacht wandelten sich die medial präsentierten tumben Barbaren aus dem Norden zu „Einsteins aus Germaniens Wäldern“.
Damit deutete sich ein längst überfälliger Wandel an, denn lange genug sprachen die frühgeschichtlichen Darstellungen im Zusammenhang mit der europäischen Frühgeschichte häufig von einer Art  Zivilisations-Wüste, die im Vergleich zu den vorderasiatischen und ägyptischen Kulturschöpfungen vor Beginn der Bronzezeit in Nordeuropa geherrscht hätte. Danach war das spätere Europa bewohnt von illiteraten steinzeitlichen Jägern und Sammlern, „die in Hütten hausten, während im Orient schon die Kultur erblühte.“ Obgleich die aus dem 19. Jahrhundert stammende Anschauung, daß die Megalithbauwerke des Nordens nur primitive Imitationen von Tempeln oder Pyramiden kulturell weiter entwickelter Völker aus Kleinasien oder Afrika wären, mit Einführung neuer Datierungsmethoden obsolet geworden war, galt weiterhin der Glaubenssatz „Ex Oriente Lux“ —  alles Licht stamme aus dem Orient. Erst mit dem Eindringen von Volksstämmen indogermanischer Sprache aus dem Osten vor Beginn der Bronzezeit, so eine auch jüngst wieder aktuell gewordene Lehrmeinung, sei Europa quasi der Barbarei entrissen worden. Nach „Verschmelzung“ der östlichen Nomaden mit den Einheimischen entwickeln sich kleinere Organisationsformen, die jedoch bis zur Ankunft der Römer 1000 Jahre später als kulturell unbedeutend erachtet wurden. Bronzezeitliche Errungenschaften kamen selbstverständlich durch kleinasiatische Händler nach Europa und wurden dort adaptiert.
Unter völliger Ausblendung und Verklärung der Anfang des 20. Jahrhunderts erarbeiteten prähistorischen Forschungsergebnisse wurde nach 1945 die systematische Degradierung der Germanen zu Hinterwäldlern jahrzehntelang ausgebaut.
Verschwiegen wurde dabei, daß die Lehre von der kulturellen Befruchtung der Welt durch vorzeitliche Germanen vor 1945 weder ausschließlich deutsch, noch ausschließlich nationalisitisch eingeschränkt war. Auf den damaligen - internationalen - Forschungsstand bezog sich auch ein Konservativer wie Oswald Spengler, der in seinem „Untergang des Abendlandes“ bereits 1911 von Philistern spricht, „die ganz nach germanischer Art um 1200 v. Chr. mit ihren vierspännigen Ochsenwagen längs der phönikischen Küste nach Ägypten zogen.“ Spenglers Resumée: „Alle lebendige Schöpfung kommt von Norden, aus dem Entbehren, der Kälte. Der Süden hat Sättigung, die Sonne, Das Leben ist Flamme. Der Süden empfängt, der Norden zeugt“
Sätze, die, für viele überraschend, auch im Deutschland der 1930er Jahre nicht unwidersprochen blieben. Dennoch wurde in Reaktion auf die vermeintliche Gleichschaltung der Geschichtswissenschaft während des 3. Reiches nach 1945 die Leugnung einer kulturellen Bedeutung Nordeuropas für die Frühzeit zum Leitmotiv. So konnte das Wochenmagazin „Der Spiegel“ 1996 weitgehend unwidersprochen die Germanen als „diebische  und  plattsinnige  Störenfriede“ darstellen, „unter  deren  plumpen  Händen  die nachantike   Welt   ins   kulturlose   Chaos fiel.“
Darüber hinaus wurde der ebenso einleuchtende wie neutrale Satz des deutschen Vorgeschichtsforschers Gustaf Kossinna, „scharf umgrenzte archäologische Kulturprovinzen decken sich zu allen Zeiten mit ganz bestimmten Völkern oder Völkerstämmen“, geradezu in sein Gegenteil verkehrt: Heute meidet die Forschung jegliche Zuordnung kultureller Erscheinungen zu irgendwelchen Volksstämmen, allerdings hauptsächlich im europäischen Raum. Dies führte dazu, daß wir für die Stämme Europas in der vorantiken Zeit nicht einmal eigene Namen haben.  
 Dabei ist es eigentlich eine Binsenweisheit, daß sich in einer archäologischen Kultur „Stil und Gestaltungskraft einer bestimmten Menschengruppe ausdrücken, die als eine Gemeinschaft in einem geschlossenen Verband zusammengelebt hat“ wie Carl-Heinz Boettcher nüchtern festhielt. Hinter archäologischen Funden verberge sich, so der Forscher weiter, „wohl stets eine ethnische oder soziale Organisation.“
Dennoch wurde die Bedeutung von Volksstämmen für die Schaffung kultureller Leistungen ebenso generell in Zweifel gezogen, wie überhaupt die Existenz verschiedener Völker mit unterschiedlicher rassischer Zusammensetzung. Die Anthropologie als unabdingbare Hilfswissenschaft zur Entschlüsselung frühgeschichtlicher Vorgänge geriet dabei völlig in Mißkredit. So kam es, daß sich kaum ein Alt-Historiker mehr mit wesentlichen Aspekten der Indogermanenfrage oder überhaupt mit einer Geschichte der Frühzeit Europas auseinandersetzte und eine regelrechte Stagnation der wissenschaftlichen Erforschung der europäischen Frühgeschichte zu verzeichnen war.  

Nach einem kurzen Aufflackern der Frühgeschichtsbegeisterung im Zuge der Thesen des Pastors Jürgen Spanuth, das noch in den 1950er Jahren „akademisch“ erstickt und seitdem totgeschwiegen wird, schien sich Ende der 1990er Jahre ein Wandel abzuzeichnen. Nun fanden Forscher Gehör, die schon seit Jahren auf die unterschätzte Rolle der Menschen aus dem Norden hingewiesen hatten. Die Sicherstellung der Bronzescheibe von Nebra 2003 sorgte dabei für den medialen Höhepunkt dieser Welle.

Die Reaktion auf den Aufbruch in der Frühgeschichtsforschung ließ allerdings auch jetzt nicht lange auf sich warten. Im Zuge der zunehmenden völligen Gleichschaltung der zugänglichen Informationen insbesondere zu historischen Themen wurde auch die Frühgeschichte schrittweise von den Dingen gereinigt, die dem Diktum des „Out-of-Africa“, des „Ex-Oriente-Lux“ und vor allem der Rückständigkeit des europäischen Nordraums im Wege standen. Jürgen Spanuth etwa ist in der klassischen Atlantis-Forschung heute nicht mehr zu finden, die Erwähnung seines Namens in Geschichtsforen ist unerwünscht. Ähnlich ergeht es anderen Forschern, die sich um die Rehabilitierung des geschichtlichen Nordeuropas verdient gemacht haben: Wer bereits in der Zeit des 3. Reiches lehrte, war automatisch mitschuldig an Verbrechen und somit indiskutabel. Jüngere Forscher, die sich dem Zeitgeist zu widersetzen wagten, werden zumeist totgeschwiegen oder ebenfalls politisch kompromittiert.    
Der Norden Europas, insbesondere die Heimat der Germanen, durfte - so scheint es - nie wieder als Heimat höherer Kultur Erwähnung finden. Daran halten sich die meisten Autoren.
Damit sind sie nicht besser als ein Rudolf von Sebottendorf, ein Alfred Rosenberg oder andere Autoren ihrer Zeit.

Diese Veröffentlichung wird dem Leser eine Reihe von Fakten und Indizien aufzeigen, die beweisen, daß die Rolle Nordeuropas zu Unrecht herabgestuft wird. Zugleich verdeutlicht die Gesamtschau, wie sehr die Menschen des Nordens mit den übrigen Europäern und sogar Menschen anderer Kontinente verbunden sind. Denn alle Versuche die Rolle Nordeuropas zu negieren, können nicht über die Tatsachen hinwegtäuschen:  
Seit dem 5. Jahrtausend bis zum 1. Jahrtausend erfolgt die Ausbreitung von Menschen und zugleich vieler Kultureinflüsse in erster Linie von Nord nach Süd, nicht umgekehrt. Dies ergeben nicht zuletzt die objektiven wissenschaftlichen Daten. Wo die Quellen schweigen, erweisen sich vor allem Mythen und Sagen als hilfreich bei der Entschlüsselung der schriftlosen Vorgeschichte; in ihnen können sich selbst verbotene Wahrheiten lange erhalten.
Die vorliegende Darstellung ist darum in erster Linie bemüht, den Dogmen und Lügen der heutigen Zeit ein an den neuesten Forschungserkenntnissen orientiertes Bild der tatsächlichen Gestalt des frühzeitlichen Europas entgegenzustellen.  Ein Bild, das neueste wissenschaftliche mit verdrängten Erkenntnissen der früheren Frühgeschichtsforschung vereint, aber auch Überlieferungen der Mythen und Sagen berücksichtigt.

 

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