Edmund Kiss
Der Kasseler Baurat und Autor Edmund Kiss ist eine der schillerndsten und zugleich mysteriösesten Figuren des Dritten Reiches. Sein wissenschaftlicher „Spagat“ zwischen Germanenkunde und Welteislehre machte ihn zugleich zu einer der Personen, welche die Forschung als Prototypen der pseudowissenschaftlichen Forschung innerhalb des Ahnenerbes hervorhob.
Der mit einer Körpergröße von knapp 2,10 m bei einem Gewicht von 110 Kg imposant erscheinende Kiss wurde im ersten Weltkrieg wurde er als Soldat mehrfach verwundet und mit dem Eisernen Kreuz erster und zweiter Klasse ausgezeichnet. Nach dem Krieg wurde er Architekt und ließ sich im westfälischen Münster nieder, wo er sich für die Welteislehre Hörbigers zu interessieren begann.
Bereits zu Beginn der 30er Jahre war sein Name durch einen auflagenstarken Weltentstehungsroman bekannt geworden („Das gläserne Meer“, 1930), dem ersten Teil einer Tetralogie über Atlantis („Die letzte Königin von Atlantis“ 1931, „Frühling in Atlantis“, 1933, „Die Singschwäne von Thule“, 1937). Zu diesem Zeitpunkt war Kiß bereits überzeugter Anhänger der Welteislehre, die er in seinen Romanen durch die Beschreibung der durch Mondeinstürze ausgelösten Naturkatastrophen plastisch verbildlichte, obgleich er in mehreren Artikeln der Zeitschrift Germanien durchaus nüchterne wissenschaftliche Abhandlungen über Themenkreise des germanischen Brauchtums verfaßte - etwa einen Artikel über „Altgermanische Bodenvorratswirtschaft“ in „Germanien“ 1937 - die keinerlei Bezug zur WEL aufweisen. Anders präsentierte sich Kiss in seinen Büchern, in denen er die Mondeinsturzszenarien Hörbigers mit der Atlantis-Überlieferung Platos und der Vorgeschichte der Germanen verband. Schon 1933 erschien seine Kampfschrift für die Welteislehre, in der er die neue Lehre leidenschaftlich verteidigte.
Seinem schriftstellerischen Durchbruch voran ging ein längerer Aufenthalt des Forschers in Bolivien. Finanziert hatte Kiss sich die Südamerika-Reise durch den Gewinn eines mit 20 000 Reichmark dotierten Autorenwettbewerbs. Auf seiner Reise nahm der schon damals begeisterte WEL-Anhänger Untersuchungen an Ruinenstädten auf der Insel Marajo und am Titicacasee, am Mausoleum Puma Punku sowie der Sternwarte Kalasaya vor.
Bestätigung finden diese Angaben sowohl bei Hans Behm (Nachwort „Das gläserne Meer“) sowie bei Sünner, der Kiss Aufenthalt in Südamerika für das Jahr 1928 ansetzt. Veröffentlicht wurden die Erkenntnisse Kiss, denen zufolge die südamerikanischen Frühkulturen von nordischen Menschen beeinflußt waren, in einem Aufsatz, „Nordische Baukunst in Bolivien“ in der Zeitschrift „Germanien“ sowie in seinem bereits erwähnten, 1937 erschienenem Buch „Das Sonnentor von Tihuanaku und Hörbigers Welteislehre“.
Spekulationen zufolge soll Kiss auch als Leiter des Museums in La Paz fungiert haben, was jedoch nicht zweifelsfrei bewiesen werden kann.
Am 19. Juli 1936 gehörte Kiß zu den Mitunterzeichnern des „Pyrmonter Protokolls“, in dem die Unterstellung aller an der WEL tätigen Forscher unter die Schirmherrschaft Himmlers vereinbart wurde, der innerhalb des Ahnenerbes hierfür die „Pflegestätte für Wetterkunde“ unter Vorsitz Dr. Hans Robert Scultetus installierte.
Im Jahre 1936, kurz nach Unterzeichnung des Pyrmonter Protokolls, erging eine Anweisung Himmlers, Kiss inoffiziell durch das Ahnenerbe in seinen Forschungen zu unterstützen.
Im Februar 1939 führte Kiss darauf zusammen mit einem Assistenten und einem Kameramann seine Abessinien-Expedition durch, in deren verlauf er eine Reihe von Indizien für die einstmalige Existenz von gewaltigen Wassermassen in der libyschen Sahara zusammen trug, die für ihn nur mit der Hörbigerschen Theorie erklärt werden konnten.
Kurz vor Antritt der Reise war der Abenteurer auf Anweisung Himmlers und begleitet von einem positiven Gutachten des SD-Professors Franz Alfred Six im Jahr 1938 offiziell in das Amt Ahnenerbe übernommen worden, obwohl seine publizierten Forschungsergebnisse umstritten waren und er somit auch nicht zur angestrebten Steigerung des wissenschaftlichen Anspruchs des Ahnenerbes beitragen konnte. Vor seiner Übernahme in das Ahnenerbe wurde Kiss jedoch ebenso wie Willigut bereits als Mitglied des persönlichen Stabes Himmlers geführt.
Neben der bedingungslosen Unterstützung der WEL trat Kiss ebenfalls für die Echtheit der Ura-Linda-Chronik ein - überdies vertrat er in einem kurz zuvor erschienendem Buch über das „Sonnentor von Tihuanaku“ (1937) die Ansicht einer Millionen Jahre alten Kultur in Südamerika was auch nicht gerade auf Zustimmung der herrschenden Wissenschaft stoßen konnte.
Der Versuch Himmlers, Kiss an der „Tibet-Forschungsreise Ernst Schäfers 1938/39“ zu beteiligen, um insbesondere Forschungen zur Welteislehre durchführen zu können, scheiterte jedoch. Mit Verweis auf die schwindende wissenschaftliche Reputation der Expedition lehnte Schäfer die Teilnahme des Welteisforschers ab. In seinen unveröffentlichten Memoiren hielt Schäfer über Kiss fest, daß dieser behauptet habe, am Titicaca-See „Welthäfen von Außerirdischen“ gefunden zu haben.
Für das Jahr 1940 war eine Expedition nach Südamerika geplant, die unter Leitung von Kiß Grabungen in Bolivien, Peru und Kolumbien durchführen und dabei Erkenntnisse aus Knochen- und Kalksegmenten, Fauna und Flora sowie aus Strandlinien und kinematographischen Aufnahmen gewinnen sollte. Für diese Expedition, die sich aus Archäologen, Zoologen, Botanikern, Astronomen, Karthographen, Geologen sowie einem Filmteam zusammensetzen sollte, waren bereits modernste Geräte bereitgestellt worden: Zur Durchforschung des Titicaca-Sees nach alten Ruinen stand ein Tiefsee- Photographie-Gerät zur Verfügung und die Firma Zeiss stellte ein Luftbild-Aufnahmegerät bei, mit dem prähistorische Strukturen aufgespürt werden sollten. Offiziell abgesagt wurde sie nach Kater mit Hinweis auf die Kriegslage Anfang 1940.
Trotz der Überlegung, die Expedition nach einem schnellen Sieg Deutschlands kurzfristig nachholen zu können, war die endgültige Absage Ende 1941 besiegelt. Kiß selbst war bereits im Oktober 1939 im Range eines Hauptmanns in den aktiven Wehrdienst berufen worden.
Nach vierjährigem Kriegseinsatz und anschließendem Dienst im Wachbataillon am Führerhauptquartier Wolfsschanze geriet Kiß 1945 in alliierte Kriegsgefangenschaft und wurde ins Gefangenenlager Dachau bei München überstellt. Von hier gelangte er in ein Internierungslager bei Darmstadt, aus dem er aufgrund seines durch eine frühere Malariaerkrankung rapide abfallenden Gesundheitszustandes 1947 entlassen wurde.1948 wurde er in einem Entnazifizierungsverfahren als „Mitläufer“ eingestuft und gegen die Zahlung einer Geldstraße von 501 DM frei gesprochen. Im Dezember 1960 starb Edmund Kiß.
Bilanzierend kann Edmund Kiß als eine Mischung aus Wissenschaftler und Abenteurer gesehen werden, bei dem die schriftstellerische Freiheit die wissenschaftliche Akribie überwog. Aufgrund seiner Erfahrung und seines Charisma wurde Kiß als glühender Anhänger der WEL für Himmler zu einem wichtigen Mann. Als damaligem bekannten Autoren wird Kiß somit von Beginn an eine Sonderrolle innerhalb des Ahnenerbe zugestanden worden sein, die sich nach dem Grad der Wissenschaftlichkeit seiner Arbeit bemessen ließ - mit der Kategorisierung seiner Person in den Typus des unwissenschaftlichen Phantasten, der einer Aufwertung der Reputation des Ahnenerbes im Wege stand, wird man seiner Person auch aus heutiger Sicht unzweifelhaft nicht gerecht.
Bibliographischer Auszug:
Romane:
In den Schluchten des Prisats (1930)
Das gläserne Meer (1930)
Die letzte Königin von Atlantis (1931)
Frühling in Atlantis (1933)
Das Urwaldmädel (1933)
Widukind der Große (1935)
Der Freund des Rebellen (1935)
Die Singschwäne von Thule (1939)
Sachbücher:
Die (.....) Welteislehre. Leipzig 1933
Das Sonnentor von Tihuanaku. Leipzig 1937
Die kosmischen Ursachen der Völkerwanderungen. Leipzig 1937
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