Die Kelten, die ?sympathischen Verlierer der Weltgeschichte? (Damals), verzeichnet in den letzten Jahren einen regen Sympathiegewinn in Deutschland. Während in Frankreich und Belgien die Erinnerung an das Ahnenvolk eine lange Tradition hat, nicht zuletzt in Hinblick auf die Abgrenzung von den germanischen Nachbarn in Deutschland , führten sie hierzulande lange Zeit die Rolle eines literarischen Störenfriedes. Nicht nur für den bedeutenden Prähistoriker Kossinna waren sie der Inbegriff der Vereinnahmung germanischer Kultur durch ?welsche? (Kampfbegriff zur Bezeichnung französisch-romaischer Einflüsse, abgeleitet vom keltischen Volk der Volskae) Fremdeinflüsse. Nach dem Zusammenbruch des Dritten Reiches und seiner nachträglich umso gravierender empfundenen Germanophilie wachsen nun die Kelten in die Rolle der ?entnazifizierten Germanen?, wie es unlängst ein Akademiker ausdrückte. Die ersten archäologischen Spuren der Kelten weisen nach Österreich. Hier wird die keltische Kultur greifbar durch die sogenannte ?Hallstattkultur?, benannt nach einem Gräberfeld in Österreich. Hier im Zentrum eines Salzgewinnungsgebietes, lassen sich gegen 1000 v.u.Zt. die ersten Kulturzeugnisse finden, die als eigenständige Kulturwerke als (prot-)keltisch bezeichnet werden können. Durch den Handel mit dem Salz unterhalten die hier ansässigen Bewohner Verbindungen nach ganz Mitteleuropa und bis in den Mittelmeerraum und das Schwarze Meer.
Während für die Zeitspanne der ersten Hälfte des 1. Jahrtausends kaum archäologische Bewegungen aus dem süddeutsch-österrreichischen Raum zu verzeichnen sind, kommt ab dem 5. Jahrtausend Bewegung; um das schweizerische La Tène ist ein neuer Schwerpunkt der Kelten auszumachen. Seit diesem Zeitpunkt, dem 5. Jahrhundert v.u.Zt., wird die keltische Kultur auch als La-Tène-Kultur bezeichnet. Von hier gehen Wanderungsbewegungen durch ganz Europa: Um 500 v.u.Zt. soll die Bewegung auch Britannien erfasst haben, obgleich sich hier bereits ethnische Vorstufen finden lassen, die andere Forscher zu der Annahme bringen, die Kelten hätten bereits lange vorher hier gesessen. Weitere Bewegungen stoßen in den Süden und Südwesten - bis in das alte Kulturgebiet des heutigen Anatolien gelangen später als Galater bekannte keltische Stämme. Auch die junge aufstrebende Stadt Rom wurde zum Opfer der keltischen Aufbruchsstimmung. Im Jahre 387 stürmten Kelten unter ihrem Anführer Brennus die Stadt und nahmen sie ? dank aufmerksamer Gänse -bis auf das Kapitol ein. Den Begriff ?Vae Victis? ? ?Wehe den Besiegten?-, soll Brennus bei der Schummelei über die Höhe der Bezahlung für den Abzug der Keltern geprägt haben.
Aus dieser Zeit stammen auch die frühesten Erwähnungen der Kelten: Der griechische Autor Hekataios von Milet erwähnt um 500 ein Land Celtice. Ein halbes Jahrhundert später ergänzt Herodot, der Istros (Donau) entspringe im Land der Keltoi ? ein Hinweis darauf, daß sich die Kelten zu dieser Zeit selbst so bezeichneten. Der Ursprung geht vermutlich auf ?die Kühnen? zurück.
Woher der plötzliche Wanderungsdrang Ende des 5. Jahrtausends stammte, blieb lange ungeklärt. Nun bieten neue Forschungen ein plausible Antwort an, die zugleich Erklärung für die Ur-Angst der Kelten ist, die Strabon erstmals aus einem Gespräch zwischen Kelten und Alexander dem Großen überliefert: Auf dessen Frage, was sie am meisten fürchteten, antworteten sie ?nichts, außer daß der Himmel über ihnen einstürzen könnte? ? Die Erklärung: Gegen 500 soll ein Meteorit in die Erdathmosphäre eingetreten sein, der im heutigen Süddeutschland auf die Erde traf. Dabei dürfte es sich wohl um einen größeren Körper sowie zahlreiche kleine Gesteinsgeschosse gehandelt haben, die auf die damaligen keltischen Bewohner einen prägenden Eindruck hatten. Während ein Teil der Bevölkerung dem Einschlag sofort zum Opfer gefallen sein dürfte, lösten die Nachwirkungen ? Erdbeben, Verdunkelung des Himmels und damit verbundene Klimaverschlechterungen ? eine langfristige Wanderungsbewegung aus. Zugleich schuf dieser vermutliche Impact die Quelle eines plötzlichen Technologie-Vorsprunges der Kelten. Das in den Resten des Meteoriten eingeschlossene Eisen ließ sich für die Produktion von Waffen und Geräten nutzen und übertraf das reguläre verhüttete Eisen qualitativ um Längen. Seitdem galten die Kelten als führende Lieferanten von Eisenwaffen. Diese verliehen ihnen vielleicht auch den militärischen Vorteil, der ihnen die Kontrolle nahezu ganz Europas ? von Norditalien bis nach Thüringen, von Iberien bis nach Kleinasien, erlaubte.
Trotz der Gleichartigkeit der Stämme, gemeinsamer Kultur und Sprache, wurde kein einheitliches Reich errichtet. Zu viele Fürsten fürchteten um ihre Macht, zu viele Freie fürchteten um ihre Freiheit ? ein typisch nordeuropäisches Phänomen, das sich auch bei den Germanen zeigen sollte. Doch dies ist nicht die einzige Beziehung zu den westlichen Nachbarn. Die Überlieferungen der antiken Autoren zeichnen ein Bild der Kelten, das dem der Germanen sehr ähnlich ist. Großgewachsen, blond- oder rothaarig, oft blauäugig, präsentierten sich die Kelten den mediterranen Römern und Griechen. Lediglich in der Wildheit und der Waghalsigkeit wurden sie von den Germanen noch übertroffen, obgleich Caesar ? vermutlich aus propagandistischen Gründen ? auch einen noch höheren Körperwuchs bei den nordischen Wilden festzustellen glaubte. Diese Beschreibungen führen uns zur Frage nach dem Ursprung oder der Herkunft der Kelten vor Besiedlung des Hallstattraumes.
Lange Zeit galt die Hypothese, nach der die Kelten direkte Nachfahren eines späten Zuges der Kurganwellen aus Südrussland waren, das ja auch als Urheimat der Indogermanen noch heute im Gespräch ist. Dafür sprachen vor allem die Grabhügel, die ja auch typisch für die Kurgankulturen waren, sowie Aspekte des Schamanismus, den man in den Druiden, den Priestern und eigentlichen Lenkern der Stämme, zu erblicken glaubte. Auch die Sitte der Kopfjägerei würde gut zu einem der Völker aus dem Osten passen.
Neuere Forschungen verweisen jedoch auf die naheliegendere Abstammung der Kelten aus der europäischen Urnenfelderkultur, die sich gegen Ende des 2. Jahrtausends v.u.Zt. über Europa verbreitet. Diese primär mit der Wandlung von ? in Europa bereits lange vor den Kurgankulturen bekannten - Hügelgrabbestattungen zur Verwendung von Urnen festzumachende Kulturströmung war eine gesamteuropäische, die am plausibelsten mit dem Spanuth-Szenario eines anderen Impactes, zumindest einer umwälzenden Naturkatastrophe im letzten Drittel des 2. Jahrtausends zu erklären ist. Danach änderten sich die Bestattungssitten, da die Völker aufgrund von Klimaveränderungen in Folge dieser Naturkatastrophe in Bewegung gerieten und daher ihre Toten verbrannten, um sie mit sich führen zu können. Das kein völlig neuer Kult mit den Urnen verbunden war, zeigt nämlich die Tatsache, daß oftmals Urnen in älteren Grabhügeln beigesetzt wurden.
Diese Urnenfelderkultur läßt sich vom nördlichen Mitteleuropa langsam südwärts stoßend ausmachen. Wenn man den Beginn der Wanderungsbewegung für die Zeit um 1200 v.u.Zt. ansetzt, so würde ein Besiedeln des Voralpenraumes bei Hallstatt und in der Umgebung sowohl zeitlich mit dem Erscheinen der Kelten als auch anthropologisch mit der Ähnlichkeit zu den Germanen übereinstimmen ? waren sie doch demnach nichts anderes als ausgewanderte ?Frühgermanen? ? oder letztere nichts anderes als spätere Urkelten? -, die sich hier niederließen. Sicherlich ist eine Aufnahme von Komponenten, sowohl ethnischer als auch kultureller Art von östlicheren (Reiter?-)Gruppen nicht von der Hand zu weisen, wichtig ist jedoch die Tatsache, daß auch die in Frage kommenden Kimmerier und Skythen indogermanisch geprägt, also ethnisch nicht allzu weit von Germanen und Kelten entfernt waren.
Dieser Hypothese Tribut zollend, gehen immer mehr Autoren dazu über, die Völker des Nordens insgesamt als Kelten zu bezeichnen, ohne der Unterteilung in Germanen und Kelten zu folgen, die letztendlich ja auch stets politisch motiviert war ? Caesar wollte so seinen Gallienfeldzug als beendet angesehen wissen, mit dem Rhein als künstliche Trennung zwischen Kelten und Germanen. Spätere Geschlechter nutzten die Unterteilung als historisch legitimierte Unterscheidung zwischen Deutschland und Frankreich. Mittlerweile werden diese Unterteilungen auch archäologisch immer schwammiger, so daß man guten Gewissens den griechischen Autoren folgen kann, die stets nur von einem Volk im Norden sprachen. So wird auch erklärbar, warum die Kelten der La-Tène-Kultur bei ihrer Übersetzung nach Britannien auf bereits dort sitzende ethnische Verwandte trafen, die noch Nachkommen der einstigen Megalithgeschlechter waren und sich lediglich in kulturellen Details unterschieden. Auch wenn die Bezeichnung der Kelten als ?entnazifizierte Germanen? noch mit einem Augenzwinkern erfolgte, so steckt darin mehr Wahrheit, als sich vielleicht so manch ein akademischer Historiker heutiger Zeit wünschen würde.